Rosenheim — „Der Nachholbedarf ist beträchtlich, der Reformstau immens, der Aufwand enorm“, kritisiert Dr. Olaf Konstantin Krueger. „Das heterogene Politikfeld der digitalen Transformation wird von der etablierten Politik so miserabel beackert, dass Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft im europäischen und weltweiten Vergleich kontinuierlich degradieren“, erklärte der Digitalpolitiker in seiner Rede auf dem Kreisparteitag 2022.1 der Rosenheimer PIRATEN. Der stellvertretende Kreisvorsitzende erinnerte eingangs an die Gründung des Kreisverbandes Stadt und Landkreis Rosenheim der Piratenpartei Deutschland vor zehn Jahren, erläuterte im Tätigkeitsbericht die Arbeit des achten Kreisvorstandes mit Blick auf die Gründungsthemen und appellierte ausgangs mit Verweis auf die „Flickschusterei“ bei der digitalen Transformation, Digitalpolitiker würden mehr denn je benötigt. Eine Zusammenfassung.
Wegweiser
- Einführung
- „Klarmachen zum Ändern!“ – Zehn Jahre Rosenheimer PIRATEN
- Krisenkumulation – Fokus Energiekrise
- Parteiarbeit des Kreisvorstandes 2021/2022
- Herausforderungen 2022/2023
1. Einführung
Ahoi PIRATEN, werte Parteifreunde, sehr geehrte Gäste, geschätzte Medienvertreter! Der amtierende Vorstand des Kreisverbandes Stadt und Landkreis Rosenheim der Piratenpartei Deutschland freut sich, Sie beim Kreisparteitag 2022.1 in Rosenheim begrüßen zu können. Der heutige Parteitag der PIRATEN ist dreigegliedert. Erstens wird der Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht 2021/2022 des amtierenden achten Kreisvorstandes diskutiert. Zweitens wird mit Blick zurück über die Parteiarbeit während Corona-Krise, Ukraine-Konflikt, Wirtschaftskrise, Energiekrise und Migrationskrise befunden. Drittens soll mit Blick voraus der neunte Kreisvorstand gewählt werden für die Amtsperiode 2022/2023, welche zunächst geprägt sein dürfte von den Wahlkampfvorbereitungen für das Wahljahr 2023.
Ein Vergelt’s Gott geht an Florian Prauß aka @G0LEM, stellvertretender Schatzmeister des amtierenden 16. Bezirksvorstandes Oberbayern, der die Akkreditierung vornimmt. Ein weiterer Dank geht an die Generalsekretäre der Piratenpartei, an die Netzwerker in der PiratenIT und an die Redakteure der PIRATEN-Publikation „Flaschenpost“. Ein Besuch des Rosenheimer Christkindlmarktes auf dem Max-Josefs-Platz und dem Ludwigsplatz wird später die Parteiarbeit abrunden. Die komro – das kommunale Telekommunikationsunternehmen in Rosenheim – offeriert hier übrigens kostenfreies WLAN, was sowohl die Mobilfunknetze als auch das persönliche Datenvolumen der Nutzer entlasten soll. Im freien „komro CITY WLAN“ kann sechs Stunden gratis gesurft werden mit bis zu 20 Mbit/s im Download und bis zu 5 Mbit/s im Upload.
2. „Klarmachen zum Ändern!“ – Zehn Jahre Rosenheimer PIRATEN
Die „Künstliche Intelligenz“ feiert heuer ihr 10-jähriges Jubiläum: 2012 erkannte erstmals das neuronale Netzwerk AlexNet mit verblüffend hoher Genauigkeit Objekte auf Bildern. Ebenfalls 2012 vernetzten sich die Rosenheimer PIRATEN und setzten organisatorisch Segel mit einem Kreisverband der Piratenpartei Deutschland: Formal wurden dazu am 15. Juli 2012 zunächst zwei Kreisverbände gegründet – der eine für die kreisfreie Stadt Rosenheim, der andere für den Landkreis Rosenheim –, danach beide zu einem Kreisverband verschmolzen.
Der Gründungsversammlung vorangegangen waren drei Monate der Vorbereitung mit eingehender Erörterung der Geschäftsordnung, Satzung und Organisation. In diesem Zusammenhang wurde bereits am 26. Mai 2012 die Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik Rosenheim gegründet. Von den damals 160 stimmberechtigten Mitgliedern trafen sich schließlich 23 auf der Gründungsversammlung im Rosenheimer Restaurant „Italy Confidential“. Der Versammlung wohnten weitere sieben PIRATEN aus Oberbayern, vom Bezirks- und vom Landesvorstand bei. Darunter befanden sich der bayerische Landesvorsitzende und spätere Bundesvorsitzende Stefan Körner aka @Sekor aus Neumarkt in der Oberpfalz sowie die oberbayerische Bezirksvorsitzende Emmanuelle Roser aka @Deuxcvsix aus München.
Den ersten Kreisvorstand bildeten dann fünf hoch motivierte PIRATEN. Vorsitzender wurde Entwicklungsingenieur Andreas Miesauer aka @Stargaterunner aus Rosenheim Stadt, sein Stellvertreter Kaufmann Florian Schneider aka @Derslingshot, ebenfalls aus Rosenheim Stadt. Die Funktion des Schatzmeisters übernahm Metzgermeister Michael Bachinger aka @Der.metzger aus Wasserburg a.Inn. Politischer Geschäftsführer wurde Wirtschaftsgeograf Dr. Olaf Konstantin Krueger aka @Leakadealer aus Oberaudorf, Generalsekretär und stellvertretender Schatzmeister Dr. Hartmut Ernst aka @Hartmut aus Rosenheim Stadt, Professor für Informatik an der FH Rosenheim.
Drei Anliegen bewegten 2012 die PIRATEN: Datenschutz, Netzneutralität, Urheberrechtsreform – und ihre Parole lautete gegenüber dem Establishment: „Klarmachen zum Ändern!“
In den Folgejahren war der nerdige Kreisvorstand grundsätzlich durch personelle Kontinuität gekennzeichnet und die Rosenheimer PIRATEN konnten sowohl kommunalpolitisch als auch parteiintern einiges bewirken. Dabei wurden stets die sozialdigitalen Gründungsthemen der Gesamtpartei popularisiert und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. So kann der Kreisverband trotz durchgehend beschränkter Ressourcen und letztlich schrumpfender Aktivenzahl eine ansehnliche Leistungsbilanz vorweisen. Der heutige Rahmen wäre allerdings gesprengt beim Versuch,
- die hiesigen (Social Media-)Kampagnen, Demonstrationen, Veranstaltungen und regelmäßigen Wahlteilnahmen aufzuzählen,
- das Engagement Rosenheimer PIRATEN in Parteiämtern jeder Ebene, in wichtigen Arbeitsgemeinschaften, in der IT und bei der „Flaschenpost“ anzugeben,
- die Teilnahmen an Mumbles, Stammtischen, Barcamps, Datenschutzschulungen, Parteitagen, Info-Ständen und Gemeinde-/Stadtratssitzungen zu listen sowie
- öffentlichkeitswirksame Freizeitaktivitäten wie das Stadtradeln anzufügen.
Bestätigt hat sich indes abermals Max Webers berühmter Satz in seinem 1919 erschienenen Buch „Politik als Beruf“: „Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ Adaptiert heißt das:
- Gewisse technophile Vorhaben der PIRATEN wie etwa die breite Anwendung von „Liquid Feedback“, „Basisentscheid online und offline (BEO)“ sowie „Open Antrag“ sind versandet.
- Manche freiheitlichen Vorstellungen wie „Ratssitzungen im Netz“ sind erst in der Corona-Krise in ähnlicher Form (beispielsweise als hybride Sitzungen in Präsenz und per Stream) umgesetzt worden.
- Einige liberale Einstellungen wie exemplarisch das Recht auf Wahrung der Privatsphäre und die Ideologiefreiheit der Wissenschaft bedürfen eher noch stärkeren Engagements.
Wurde der Piratenpartei in ihrer Hochphase 2012 insgesamt noch die Etablierung im Parteiengefüge der Bundesrepublik Deutschland zugetraut, so verflog der Hype im Zuge hohen, partiell kampagnengeleiteten Außendrucks und im Strudel innerparteilichen, gelegentlich ideologischen Zwistes. Mit ihm gingen teils medienwirksam einige überdrehte Glücksritter, Fantasten und Aktivisten, aber ebenso vornehmlich auf Sacharbeit fokussierte IT-Fachleute, Netz- und Digitalpolitiker. Auch viele jener Irrlichter, die die Piratenpartei oftmals als Abenteuerspielplatz mit Bällebad sowie Stuhlkreis zur Selbstfindung nutzten, verließen die Partei, hinterließen jedoch teils dümmliche Programmfragmente oder entnervte Funktionsträger. Manche Phrasendrescher blieben jedoch, betreiben an exponierter Position weiter das Geschäft der parteipolitischen Konkurrenz, bilden Brückenköpfe zu radikalen, dogmatischen, übergriffigen Bewegungen und kompromittieren fortwährend das im Kern sozialdigitale Profil – sehr zum Leidwesen der liberalen Kernies.
Diese Entwicklung der Gesamtpartei wirkt auch auf den Kreisverband Rosenheim. In den letzten fünf Jahren verlor der KV unaufhaltsam durch Schwund und Auflösung seine Partnerverbände in Miesbach, in Mühldorf a.Inn, in Traunstein und im Berchtesgadener Land, seine Stammtische in Feldkirchen-Westerham und in Kolbermoor sowie rund 80 Prozent seiner Mitglieder. Heute zählt er 17 PIRATEN in Stadt und Landkreis Rosenheim, darunter elf Stimmberechtigte.
Dabei ist offenkundig: Digitalpolitiker werden mehr denn je benötigt. Das heterogene Politikfeld der digitalen Transformation wird von der etablierten Politik so miserabel beackert, dass Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft im europäischen und weltweiten Vergleich kontinuierlich degradieren. Der Nachholbedarf ist beträchtlich, der Reformstau immens, der Aufwand enorm. Das Kompetenz-Wirrwarr in den vergangenen Legislaturperioden hat zur Flickschusterei bei der Digitalisierung geführt. Und die seit einem Jahr amtierende Bundesregierung hat den von ihr angekündigten digitalen Aufbruch trotz des Digitalisierungsschubs in der Corona-Krise vermurkst. Die Bayerische Staatsregierung fördert immerhin zukunftsgerichtete Technologien mit Millionen-Summen und läßt die Digitalministerin „Digitale Ämter“ auszeichnen …
Unterdessen werden die Grundrechte immer weiter eingeschränkt. So konstatiert beispielsweise der US-amerikanisch-russische Whistleblower Edward Joseph „Ed“ Snowden: „People have forgotten the entire purpose of rights: to protect the minority from the majority. The majority never itself requires freedom of speech, press, or religion, because it is their opinion that defines the popular and acceptable. Only the *un*popular requires a defense.“
3. Krisenkumulation – Fokus Energiekrise
Im Berichtszeitraum vom 3. Juli 2021 bis zum 27. November 2022 beeinflussten Corona-Krise, Ukraine-Konflikt, Wirtschaftskrise, Energiekrise und Migrationskrise das parteipolitische Engagement nachdrücklich. Ein aktuelles Beispiel: In Stadt und Landkreis Rosenheim sind die Bürger dieser Tage von den Kommunen sowohl auf die Entwicklung an den Stromhandelsbörsen und die zu erwartenden Strompreiserhöhungen hingewiesen worden als auch über die Gefahr langanhaltender, großflächiger Stromausfälle und die Notfallplanungen der Behörden informiert worden. Zwölf Fakten aus den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) mögen allein die Energiekrise verdeutlichen:
- Armutsgefährdung. Bereits vor der Energiekrise konnten im Jahr 2021 insgesamt 2,6 Millionen Menschen aus Geldmangel ihre Wohnung nicht angemessen heizen, rund 8,6 Millionen Menschen (10,5 Prozent) lebten in überbelegten Wohnungen.
- Energiepreise. Energieeinfuhren waren im September 2022 um 135,1 Prozent teurer als im September 2021; Hauptgrund: Preissteigerungen bei importiertem Erdgas (mit +252,0 Prozent im September 2022 dreieinhalb Mal so hoch wie im September 2021).
- Gas-/Strompreise. Private Haushalte haben im 1. Halbjahr 2022 im Durchschnitt 8,04 Cent je Kilowattstunde Erdgas gezahlt (Steigerung zum 1. Halbjahr 2021: +17,7 Prozent), Strom kostete durchschnittlich 33,50 c/kWh (+1,9 Prozent); für Nicht-Haushaltskunden, vor allem Unternehmen und Behörden, stiegen die Preise bei Gas um 38,9 Prozent, bei Strom um 19,3 Prozent.
- Inflation. Die Inflationsrate lag im Oktober 2022 bei +10,4 Prozent (September 2022: +10,0 Prozent; August: +7,9 Prozent); Hauptgrund: Preiserhöhungen bei den Energieprodukten.
- Import. Die Importpreise lagen im September 2022 um 29,8 Prozent höher als im September 2021 (August 2022/2021: +32,7 Prozent; Juli 2022/2021: +28,9 Prozent); Hauptgrund: Preiserhöhungen bei den Energieprodukten.
- Export. Die Exportpreise lagen im September 2022 um 16,8 Prozent höher als im September 2021 (August 2022/2021: +18,6 Prozent; Juli 2022/2021: +17 Prozent); Hauptgrund: Preiserhöhungen bei den Energieprodukten.
- Erzeugerpreise. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte lagen im September 2022 um 39,4 Prozent höher als im September 2021 (August 2022: +34,5 Prozent; Juli 2022: +33,4 Prozent).
- Großhandelspreise. Die Verkaufspreise im Großhandel lagen im Oktober 2022 um 17,4 Prozent höher als im Oktober 2021 (September 2022: 19,9 Prozent; August 2022: 18,9 Prozent).
- Betriebsgründungen. In den ersten drei Quartalen 2022 wurden rund 89.200 größere Betriebe gegründet, 5,5 Prozent weniger im Vergleich zum Vorkrisenniveau (1. bis 3. Quartal 2019).
- Umsatzeinbußen. In den ersten drei Quartalen 2022 verzeichneten Einzelhändler in Einkaufsstraßen der Innenstädte deutliche Umsatzrückgänge; der Umsatz im Einzelhandel mit Büchern sank preisbereinigt um 21,0 Prozent, der Umsatz im Einzelhandel mit Spielwaren um 17,5 Prozent, der Umsatz im Handel mit Unterhaltungselektronik um 7,4 Prozent und jener mit Schuhen um 4,9 Prozent; demgegenüber stiegen die Umsätze im Onlinehandel um 31,2 Prozent.
- Insolvenzen. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen ist im Oktober 2022 um 18,4 Prozent gegenüber September 2022 gestiegen.
- Verschuldung. Der Öffentliche Gesamthaushalt (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte) war beim nicht-öffentlichen Bereich zum Ende des 1. Halbjahres 2022 mit 2.344,0 Milliarden Euro verschuldet (+1,0 Prozent oder 22,9 Milliarden Euro) – ein neuer Höchststand.
Drei Beispiele für konkrete Auswirkungen.
Folgen für die Wirtschaft im Freistaat: Die Industrie- und Handelskammer in Bayern (BIHK) hat Ende September „Alarmstufe Rot“ ausgerufen. Der BIHK zufolge ist die Lage „bitterernst“, die bayerische Wirtschaft stelle sich auf „schwere Zeiten“ ein. In der Energiekrise fehle den Unternehmen über alle Branchen hinweg Kosten- und Planungssicherheit. Überdies wachse „die Sorge vor einer Abwärtsspirale, wenn Unternehmen ihre Investitionen weiter kürzen und Verbraucher immer weniger Geld ausgeben“.
Folgen für die Kommunen: Die Landkreise Altötting, Mühldorf a.Inn, Traunstein und Berchtesgadener Land wollen die landkreisübergreifende Notfallplanung ausbauen, um Kritische Infrastrukturen bei einem Blackout aufrechtzuhalten. Das Landratsamt Mühldorf a.Inn investiert 500.000 Euro in zwei neue Notstromaggregate, die im Falle eines Blackouts große Gebäudekomplexe mit Strom versorgen und den Normalbetrieb sicherstellen. Der Landkreis Rosenheim arbeitet in Kooperation mit der Kreisbrandinspektion an einem Notfallkonzept für großflächige Stromausfälle. Unterdessen nehmen die Gemeinde- und Stadtwerke „Preisanpassungen“ vor. So hat etwa Wasserburg a.Inn Mitte November eine Preisanpassung zum 1. Januar 2022 von derzeit 24,02 c/kWh (Stand: 1. Juli 2022) auf dann 51,50 c/kWh angekündigt.
Beispiel für konkrete Tipps der Ämter: Das Landratsamt Mühldorf a.Inn rät, Holzöfen oder offene Kamine möglichst umweltschonend zu betreiben und bei der Verringerung der Wasserentnahme auf die Gesundheit zu achten. Die Stadt Rosenheim verteilt einen „Ratgeber zur Eigenvorsorge“ mit Handlungsempfehlungen im Falle eines Blackouts und die Gemeinde Aschau i.Chiemgau hat das Faltblatt um spezielle Ortsangaben ergänzt. Für Christkindlmärkte kommt indes Entwarnung: Der „Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger in Deutschland e. V.“ hat klargestellt, Weihnachtsbeleuchtung sei kein Treiber der Energiekrise.
4. Parteiarbeit des Kreisvorstandes 2021/2022
Der Kreisparteitag Rosenheim 2021.1 der Piratenpartei Deutschland am 3. Juli 2021 in Kolbermoor war zwar beeinflusst durch die restriktiven Corona-Maßnahmen, die bevorstehende Krisenkumulation war jedoch unvorhersehbar.
Der KPTRO verkleinerte den achten Kreisvorstand von zuvor fünf auf nun vier PIRATEN und wählte vier Vorstandsmitglieder: Bernhard Häusler wurde als Vorsitzender wiedergewählt, der langjährige Politische Geschäftsführer Dr. Olaf Konstantin Krueger wurde Stellvertretender Vorsitzender, Richard Stinauer aka @RicSti übernahm die Funktion des Schatzmeisters von Imke Arbinger aka @Ekmi, welche dem Vorstand noch als Beisitzerin und stellvertretende Schatzmeisterin bis zum 31. Dezember 2021 angehören wollte. Die Parteiarbeit des achten Vorstandes der PIRATEN in der kreisfreien Stadt und im Landkreis Rosenheim bestand hauptsächlich in der Aufrechterhaltung des Tagesgeschäftes. Bedingt durch die restriktiven Corona-Maßnahmen tagte der Kreisvorstand in der ersten Hälfte der Amtsperiode online. Mit Abbau der Kontaktbeschränkungen vermochten ab Mai 2022 wieder Präsenzveranstaltungen im Weinhaus Zum Santa in Rosenheim durchgeführt zu werden. So konnte beispielsweise der Bayerische Landesvorsitzende und stellvertretende Bezirksvorsitzende Alexander Kohler persönlich an der öffentlichen Vorstandssitzung vom 5. Oktober teilnehmen und vor Ort mit dem Kreisvorstand die gemeinsamen Vorbereitungen auf die Wahlen zum 19. Landtag Bayern und zum 17. Bezirkstag Oberbayern besprechen.
Inhaltlich hat sich der Kreisvorstand (seit 1. Januar 2022 drei PIRATEN) weiterhin auf die sozialdigitalen Gründungsthemen der Piratenpartei mit Lokalbezug konzentriert: Informationelle Selbstbestimmung, Privatsphäre und Datenschutz, Transparenz des Staatswesens sowie Bürgerbeteiligung. Virulent waren (stichwortartig):
- Rechtsstaat: NetzDG, Grundrechtseinschränkungen, gesellschaftliche Spaltung, Autoritarismus
- Wirtschaft: Staatsverschuldung von zwei Billionen Euro, Inflation bei über zehn Prozent, Arbeitsmarkt, Langzeitarbeitslosigkeit
- Europäische Union (u. a. Europäische digitale Identität (eID) – EUid-Brieftasche als „sichere und vertrauenswürdige elektronische Identifizierung und Authentifizierung“)
- Digitale Märkte: Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act)
- eGovernment (u. a. digitale Transformation der Behörden, Auszeichnung „Digitales Amt“ des Bayerischen Digitalministeriums für digitale Verwaltungsdienstleistungen)
- Zensus 2022: Datensicherung und Datenqualität
- Digitale Forensik: deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung unvereinbar mit Unionsrecht (EuGH, Urteil vom 20.09.2022 – C-793/19, C-794/19)
- Datenhandel: Widerspruch gegen Datenübermittlung der Meldebehörden (Opt-Out) – PIRATEN-Kampagne seit September 2012
- Datenökonomie: datengetriebene Geschäftsmodelle, Data-Sharing-Economy
- Telekommunikation: „Recht auf schnelles Internet“ seit 1. Juni 2022 (Upload 1,7 Mbit/s, Download 10 Mbit/Sekunde, Reaktionszeit 150 ms)
- Digitalisierung der Telekommunikationsnetze: (temporärer) Stopp der Gigabit-Förderung
- Smart Homes (u. a. digitale Stromzähler, smarte Thermostate, Staubsauger-Roboter, intelligente Alarmanlagen, Videoüberwachung, Matter, Wi-Fi 7, Datensicherheit)
- Video- und Computerspiele (u. a. 50 Jahre Spielekonsolen, Zeitbudget)
- Verbraucherschutz (u. a. Online-Kündigung von Verträgen via „Kündigungsbutton“ auf Web pages seit 1. Juli 2022)
- Urheberrecht (u. a. Uploadfilter, Non-Fungible Token/NFT als Eigentumsnachweis)
- Geldwirtschaft: kontaktloses Bezahlen, digitale Bezahlmethoden, Smartphone-Banking, „Bürgergeld“ ab 1. Januar 2023, digitales Zentralbankgeld ab 2024
- Blockchain-Technologie (u. a. Stromverbrauch der Kryptowährungen)
- Nachhaltigkeit (u. a. Datensparsamkeit und CO2-Neutralität, „Green Deal“ der EU)
- Cybersecurity (u. a. Datenschutz, Privatsphäre, sichere Kommunikation, Virtual Private Networks, Open-Source-Software, EU-DSGVO, 50 Jahre E-Mails)
- Cyberkriminalität (u. a. Notfallmaßnahmen gegen Cyberangriffe auf Kritische Infrastrukturen, Kliniken, Praxen, europäische Cyber-Armee)
- Datenlecks (u. a. bei Otto, Kaufland, Revolut, Facebook, Twitter, WhatsApp)
- Digitalisierung der Bildungseinrichtungen (u. a. Fortbildungskampagne „Startchance Kita.digital“, Informatik als Pflichtfach in der Schule, VR/AR, „DigitalPakt Schule“, „Smart School“, Medienkonsum)
- New Work: Arbeitszeitflexibilisierung, Cloud Computing, hybride Arbeitswelten, Remote Work, Mobile Office, Homeoffice
- Arbeitsrecht: Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21)
- Work-Life-Balance (u. a. dienstliche Erreichbarkeit, Digital Detox, digitaler Nachlass, Streaming)
- Digitalisierung des Gesundheitswesens (u. a. KI bei der Diagnose/Auswertung von Röntgen- und MRT-Bildern, E-Patientenakte/ePA, E-Rezept, Telekonsile, WLAN im Krankenhaus)
- Digital Health: Auswirkungen der Smartphone-Nutzung (u. a. Nacken- und Kopfschmerzen, Sehnenscheidenentzündung, Phantom-Vibrations-Syndrom, Konzentrationsschwäche)
- eHealth: Telemedizin und medizinische Versorgung (u. a. Online-Terminvereinbarung, Video-Sprechstunde, Wearables)
- Europäischer Gesundheitsdatenraum: „European Health Data Space (EHDS)“
- Digitalisierung des Handwerks (u. a. Cloud Computing, Trackingsysteme, Sensorik, 3D-Technologie, Internet der Dinge/Internet of Things, Virtual Reality oder Augmented Reality)
- Digital Farming (u. a. GPS-gesteuerte Landmaschinen, Agrar-Apps, intelligente Fütterungssysteme, Drohnen, Transparenz der Tierhaltungs- und Produktionsbedingungen)
- Digitalisierung des öffentlichen Raumes (u. a. Smart City, Smart Region, Smart Country)
- Industrie 4.0 (u. a. Glasfaser- und 5G-Ausbau, nachhaltigen Produktion, „Digitale Zwillinge“ als digitale Kopien realer Objekte)
- Robotik (u. a. Ai-da/„ultrarealistische humanoide Roboterkünstlerin“, Roboter als Servicepersonal in der Gastronomie)
- Künstliche Intelligenz (KI): Haftungsrichtlinie der EU-Kommission (AI Liability Directive)
- Human Enhancement Technologien (u. a. Cyborgs, Transhumanismus)
- Rüstungsverkäufe trotz Lieferketten-Problemen
- Mobility: „Mobilitätswende“, Mobilitätsdatenverordnung, Autonomes Fahren
- Elektromobilität (u. a. Aufwärtstrend E-Scooter/E-Bikes/E-Autos, Ersatzteilmarkt, „Umweltbonus“ des BMWi, Kfz-Haftpflichtversicherung, Arbeitsplätze)
- Wirtschaftslage: Konjunktur, Geschäftsklima (u. a. Preissteigerungen, Inflationsquote)
- Energieversorgung: Diversifizierung, Umbau des Strommarktes, digitale Energiewende, Unsicherheiten auf den Energie- und Rohstoffmärkten, Nord Stream/Ostsee-Pipeline
- Digitalwirtschaft: Energiepreise (u. a. Stromengpässe in systemrelevanten IT-Infrastrukturen)
- Telekommunikationsbranche (u. a. Kosten der Entwicklung der 5G-Architektur, Upgrade auf 6G)
- Brownouts/Blackouts: Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung, Notstromaggregate, Katastrophen-Warnsystem „Cell Broadcast“
- Schlüsseltechnologien: Rohstoffabhängigkeit bei Batterietechnik, Robotik und erneuerbaren Energien
- Lieferketten-Probleme: krisensichere Lieferketten für kritische Mineralien (Kobalt, Bor, Silizium, Graphit, Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden und Titan)
- Abfallwirtschaft (u. a. Recycling von Elektro-Geräten, Refurbished-IT)
- Migration: Fachkräftemangel, Zuwanderung, Eingliederung ukrainischer Kriegsflüchtlinge und diverser Migranten sowie
- Transformation der Wirtschaft: Deindustrialisierung Bundesrepublik Deutschland.
Die Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik Rosenheim befasste sich mit den Auswirkungen:
- der Corona-Maßnahmen auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Region
- des Ukraine-Konflikts auf die regionale Wirtschaft
- der Wirtschaftskrise auf die hiesigen Betriebe und den Tourismus in Südostoberbayern
- der Energiekrise auf die regionale Wirtschaft, das Bayerische Chemiedreieck (Landkreise Altötting, Mühldorf a.Inn, Traunstein)
- der Migrationskrise auf den regionalen Wohnungsmarkt
und mit den Themen:
- Planungen der nördlichen Zulaufstrecke zum Brenner Basistunnel (Brenner-Nordzulauf)
- Fahrverbote für Lkw wegen des Ausweichverkehrs im Inntal aufgrund der Blockabfertigung
- Fachkräftelücke und Ausbildung in den Betrieben
- Auszeichnung „Digitales Amt“ für die Stadt Töging a.Inn, die Landratsämter Rosenheim und Mühldorf a.Inn sowie die Verwaltungsgemeinschaft Breitbrunn
- Qualitätssiegel „Bildungsregion“ und „Digitale Bildungsregion“ für Stadt und Landkreis Rosenheim
- Modellversuch „KI@school“ an 15 Schulen aus allen Regierungsbezirken
- Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur in Ingolstadt und Burghausen mit ihren energieintensiven Industrien
- Katastrophenschutz und Energiesparmaßnahmen der Kommunen, beispielsweise der Arbeit der „Lenkungsgruppe Blackout“ der Stadt Rosenheim
- Volksbegehren „Radentscheid Bayern“
- Fahrplanverdichtungen der ÖPNV-Strecken Wasserburg/Amerang, Rosenheim/Neubeuern sowie Einzelmaßnahmen im Raum Bad Aibling
- kommunales Carsharing in Aschau i.Chiemgau
- On-Demand-Verkehr ROSI-Mobil in elf Kommunen des Chiemgau sowie
- Caritas Zentren in Stadt und Landkreis Rosenheim, Fachdienst Asyl Migration.
Die Cryptoparty am 9. November 2022 mit zehn Teilnehmern im Weinhaus Zum Santa in Rosenheim war das Highlight nach den Sommerferien: Die beiden IT- und Social Media-Experten Richard Stinauer aus Bruckmühl und Roger Rösch aka @Macros aus München erklärten allgemein verständlich alles Wesentliche zur sicheren Kommunikation und Datenverschlüsselung. Die Schulung war zuvor in der Regionalpresse angekündigt worden. Die Vernetzung mit anderen Ebenen der Piratenpartei wurde bis zum Bezirksparteitag Oberbayern 2022.1 durch die Parteiarbeit von Krueger (Vorsitzender) und Stinauer (Beisitzer) als Mitglieder des 15. oberbayerischen Bezirksvorstandes gewährleistet. Die Konnektivität zur PIRATEN-nahen Stiftung 42 wurde durch die Vorstandsmitgliedschaft von Krueger gesichert.
Die offene kommunalpolitische Liste mit dem Namen „Bündnis für Rosenheim – BüRO“ hat im Berichtszeitraum weiter an Bedeutung verloren. Zur Erinnerung: Die Liste wurde 2019 zum Zweck des Antritts bei der Kommunalwahl vom 15. März 2020 gegründet und sowohl von Parteifreien unterstützt, als auch von Parteimitgliedern der Rosenheimer Kreisverbände von DIE LINKE, DIE PARTEI, mut, PIRATEN und V-Partei³. Kandidaten und Programm sind weiterhin online abrufbar unter www.bü-ro.de. Die Aufstellungsversammlungen jeweils für die kreisfreie Stadt Rosenheim und den Landkreis Rosenheim wurden am 14. Dezember 2019 durchgeführt. Insgesamt traten 44 Kandidaten an, 21 in der kreisfreien Stadt Rosenheim, 23 im Landkreis Rosenheim. Von den Rosenheimer PIRATEN kandidierten für den Stadtrat Prof. Dr. Hartmut Ernst (Listenplatz 1 von 21) und Holger-Erhard Maier (Listenplatz 15) sowie für den Kreistag Dr. Olaf Konstantin Krueger (Listenplatz 3 von 23) und Richard Stinauer (Listenplatz 7). Hauptanliegen der PIRATEN war die Umsetzung einer sozialdigitalen Kommunalpolitik für Stadt und Landkreis Rosenheim.
Ergebnis der Liste bei der Kommunalwahl 2020 in der kreisfreien Stadt Rosenheim: 27.447 Stimmen/3,2 Prozent/ein Mandat bei einer Wahlbeteiligung von 47,5 Prozent. Gewählt zur Stadträtin: Richarda Krüger (DIE PARTEI), 2.268 Stimmen/Platz 1 von 21. Ergebnisse der PIRATEN: Prof. Dr. Hartmut Ernst, 2.003 Stimmen/Platz 2; Holger-Erhard Meier, 914 Stimmen/Platz 21. Ergebnis der Liste bei der Kommunalwahl 2020 im Landkreis Rosenheim: 118.375 Stimmen/1,5 Prozent/ein Mandat bei einer Wahlbeteiligung von 61,3 Prozent. Gewählt zum Kreisrat: Dr. Klaus Rosellen (DIE LINKE), 6.548 Stimmen/Platz 1 von 23. Ergebnisse der PIRATEN: Dr. Olaf Konstantin Krueger, 5.814 Stimmen/Platz 5; Richard Stinauer 4.852 Stimmen/Platz 14. Im Berichtszeitraum ist das „Bündnis für Rosenheim – BüRO“ geschwächt worden: einerseits durch Konflikte zwischen den verbliebenen Bündnispartnern, andererseits durch den Parteiwechsel der ehemaligen Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters und heutigen Rosenheimer Stadträtin von DIE PARTEI zur SPD im Frühjahr 2022. Während die SPD damit ihre Mandatsanzahl von fünf auf sechs im Stadtrat steigerte, verlor BüRO dadurch seine Repräsentanz. Die Liste erhielt vom Kreisvorstand der PIRATEN gemäß Entschließung des KPTRO 2021.1 keine weitere Unterstützung.
Die finanzielle Basis des KV Rosenheim ist zwar weiterhin schmal, aber solide. Spenden erhielt er trotz Fundraising-Bemühens keine. Zwei Wermutstropfen bleiben: die Zurückhaltung der Rosenheimer Parteimitglieder, der „Basis“, bei der kommunalen Parteiarbeit in der wahlkampffreien Zeit sowie der Rückzug langjähriger PIRATEN, die auch beruflich mit der digitalen Transformation befasst sind.
5. Herausforderungen 2022/2023
Die Kumulation der Krisen und die bevorstehenden Urnengänge im Freistaat sollten die PIRATEN anspornen, die Piratenpartei in Rosenheim nach über zwei Jahren mit Lockdowns und bislang ungekannten Grundrechtseingriffen zu konsolidieren sowie die Mitglieder zu (re-)aktivieren.
Dieser Kreisparteitag 2022.1 sieht eine Neuwahl des Kreisvorstandes vor. Dessen Hauptaufgabe wird die Vorbereitung auf den Wahlkampf in 2023 sein. Daher werden im Anschluss an den Kreisparteitag 2022.1 vier Aufstellungsversammlungen für Rosenheim durchgeführt:
- die beiden Aufstellungsversammlungen für den 19. Landtag Bayern (erst Stimmkreis Rosenheim-West, dann Rosenheim-Ost) und
- die beiden Aufstellungsversammlungen für den 17. Bezirkstag Oberbayern (erst Stimmkreis Rosenheim-West, dann Rosenheim-Ost).
Dabei sollten wir uns vergegenwärtigen:
- Wir PIRATEN sind die erste netzpolitisch versierte Bürgerrechtsbewegung, sind prädestiniert, die heutigen wie die zukünftigen Herausforderungen sozialdigital anzugehen und dem zunehmenden Kontrollwahn politisch entgegenzutreten.
- Wir PIRATEN sind international vernetzt, sind aktiv von Australien über Brasilien bis hin nach Israel, halten Mandate auf unterschiedlichen Ebenen in der Bundesrepublik Deutschland, in Island, Luxemburg, Tschechien, im EU-Parlament, stellen den Bürgermeister in Prag und waren in Tunesien in der Übergangsregierung vertreten.
- Wir PIRATEN werden benötigt – sowohl als Korrektiv als auch als Changemanager, insbesondere in der Krisenkumulation.
Machen wir der parteipolitischen Konkurrenz Beine! Stellen wir uns den Freiheitseingriffen entgegen, den Überwachungsbestrebungen mit einer Roadmap zum Sozialkreditsystem und digitalen Zentralbankgeld als einzigem Zahlungssystem. Bekräftigen wir unseren Anspruch, die Digitalisierung gesamtverantwortlich zu gestalten! Und starten wir als Mitmachpartei neu durch. In diesem Sinne:
Klarmachen zum Ändern! ‡